Sprachlos

Kürzlich bin ich auf folgende Sätze gestoßen: „Die Studierenden sollen sich mit den Fragen und Herausforderungen einer weltweit zunehmenden Interkulturalität in Bezug auf ihre eigene Religion auseinandersetzen.“ Und weiter heißt es: „Die Studierenden…erkennen, dass Interkulturalität als „Zeichen der Zeit“ auch eine Herausforderung für die Kirche ist, wenn man ihrem Auftrag der Verkündigung zeitgemäß nachkommen will.“

Diese Sätze finden sich im aktuellen Modulhandbuch der von Kardinal Woelki neu gegründeten Kölner Hochschule für Katholische Theologie, dem Rechtsnachfolger der Philosophisch-Theologische Hochschule St. Augustin SVD, wo ich vor vielen Jahren den überwiegenden Teil meiner theologischen Studien gemacht habe. Interkulturalität, Interreligiosität, Dialog und Digitalisierung sind erklärte Schwerpunkte des von Vertreter*innen der Kölner Hochschule konzipierten Magisterstudiums katholischer Theologie.

 

Wenn ich diese Aussagen zur Interkulturalität lese, dann macht es mich stutzig und irgendwie auch sprachlos. Wenn von einer weltweit zunehmenden Interkulturalität die Rede ist, dann hört es sich für mich so an, als ob Interkulturalität als ein neuartiges Phänomen angesehen wird, mit dem die Studierenden bzw. die Hochschule selber nichts zu tun haben. Ein Phänomen, das man gleichwohl wahrgenommen hat und wie ein Beobachter aus der Ferne betrachtet. Oder meint der / die Verfasser*in vielleicht Multikulturalität als Phänomen einer globalisierten Welt? Es ist zudem verblüffend, dass die Frage der Interkulturalität einzig und allein unter dem Gesichtspunkt der eigenen Religion und der Verkündigung der Kirche gesehen wird, will man dieser doch zeitgemäß nachkommen.

 

Interkulturalität ist zuallererst eine Haltung, die für Offenheit steht, für Respekt und Achtung der Andersheit von Menschen, für Aushandlungsprozesse, die die Identitäten, Kompetenzen, Fähigkeiten und Erfahrungen eines jeden Menschen wertschätzen und das gelingende Miteinander von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft fördern. Einheit in Vielfalt. Es geht um dynamische Prozesse, die ein gelingendes Miteinander in einer durch Globalisierung geprägten Gesellschaft verfolgen. Was heißt dies aber nun?

 

Es bedarf einer interkulturellen Kompetenz, diese Aushandlungsprozesse zu gestalten. Es bedarf einer Kompetenz, die eigenen kulturellen Prägungen wahrzunehmen. Es geht um das Wissen, dass unsere Wahrnehmung, unsere Kommunikation und unser Handeln immer auch kulturell geprägt sind. Und es geht darum, sich bewusst zu machen, was der Kulturbegriff überhaupt aussagt, welch dynamische Prozesse dazu führen, dass Kultur / Kulturen in ständigem Wandel sind, dass Kultur sehr eng verbunden ist mit der Lebenswelt, in der ich mich bewege. Und ja, dass letztlich auch die Kirche eine eigene kulturelle Welt darstellt, die für Außenstehende aufgrund der Konventionalisierungen, der Sprache, der Rituale und der hierarchischen Ordnung nur schwerlich durchschaubar und verstehbar erscheint. Und diese Kirche versteht sich selbst als Weltkirche. Wenn dem aber so ist, dann müsste in dieser Kirche im Miteinander der Gläubigen aus aller Welt die Interkulturalität eine Selbstverständlichkeit sein und nicht als ein weltweit zunehmendes Phänomen betrachtet werden, mit dem ich womöglich gar nichts zu tun habe. Und dann ist Interkulturalität nicht als eine Herausforderung für die Kirche zu betrachten, um eine zeitgemäße Verkündigung hinzubekommen, sondern zuallererst eine innerkirchliche Herausforderung, diese postulierte Weltkirche durch ein gelingendes Miteinander über alle kulturellen Grenzen und Macht-Asymmetrien hinweg zu verwirklichen.

 

Den Verantwortlichen der neu gegründeten Hochschule bleibt zu wünschen, dass sie den Stellenwert der Interkulturalität zunächst einmal in seiner innerkirchlichen Bedeutung immer tiefer durchdringen. Und es bleibt ihnen zu wünschen, dass sie sich selbst als Akteure verstehen lernen, für die Interkulturalität zum eigenen Selbstverständnis gehört.

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